Interview zum Thema Klimagerechtigkeit mit Ulrich Hoffmann

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1. Warum beschäftigt sich der Familienbund mit Klimafragen?

Ist das nicht eher ein Thema für die Umweltverbände? Ich bin froh und dankbar, dass Umweltverbände und besonders die Bewegung „Fridays for Future“ das Thema mit großer Dringlichkeit vortragen. Als Familienbund ist unser Zugang die Generationengerechtigkeit – es geht darum, die Schöpfung für aktuelle und kommende Generationen zu bewahren, was auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss von 2021 aufgegriffen hat. Alle Generationen benötigen für ein gelingendes Leben Gesundheit, Sicherheit, Demokratie, Chancen in Bildung und Teilhabe und ein Klima, in dem sie leben können. Auch das Thema der sozialen Gerechtigkeit hinsichtlich des Klimawandels ist für den Familienbund wichtig. Gerade Menschen mit wenig Ressourcen leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels, tragen aber kaum dazu bei – das gilt global ebenso wie für Deutschland. Hier gibt es eine soziale Schieflage, die bei der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel und seinen Folgen stärker berücksichtigt werden muss. Dafür setzt sich der Familienbund ein.

2. Wie kann eine nachhaltige und sozial gerechtere Gesellschaft gelingen?

Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika „Laudato Si“ dargelegt, dass Klimapolitik immer auch Sozialpolitik ist. Es braucht also entsprechende politische Zielsetzungen und eine Klimapolitik, die soziale Folgen mitbedenkt und thematisiert. Der Expertenrat für Klimafragen hat hier ein schlüssiges Gesamtkonzept für soziale und wirtschaftliche Absicherung gefordert. Es sind auch starke Schultern gefragt, um auch diejenigen, die am meisten zum Klimawandel beitragen, stärker in die Verantwortung zu nehmen. Gleichzeitig geht es um große Fragen, um die sich unsere Gesellschaft nicht mehr drücken kann: wo wollen wir hin? Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Was für ein Leben ist für aktuelle wie für kommende Generation lebenswert? Dabei ist es wichtig, alle mitzunehmen. Das ist keine Auseinandersetzung zwischen den Generationen, sondern betrifft uns alle.

3. Der Klimawandel geht uns alle an – aber was kann man als Einzelne:r angesichts dieser riesigen Aufgabe wirklich tun?

Unbestritten liegt der Löwenanteil der Lösung bei der Politik. Diese tut bisher aber nicht genug. Es braucht ordnungspolitische Vorgaben, wozu auch Gebote und Einschränkungen gehören werden. Zusätzlich muss sich jeder Einzelne fragen, was er oder sie tun kann, denn auch individuelle Zeichen wie der Klimastreik können Druck erzeugen. Auch 2 jede bewusste Entscheidung im Bereich des eigenen Verhaltens und jeder Anstoß, der in der Familie, im Bekanntenkreis oder in einem Verband gegeben wird, tragen zu neuen Werthaltungen bei. Jeder noch so kleine Schritt zählt, aber allein individuell wird diese Herausforderung nicht zu lösen sein, es braucht dafür große Weichenstellungen der Politik. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen, dass über die Methoden und Aktionen der „Letzten Generation“ diskutiert werden kann. Ich verstehe sie als einen Aufschrei, der angesichts der viel zu zaghaft agierenden Politik aufrütteln soll. Aus meiner Sicht ist es ein Unding, diese Menschen als „Klimaterroristen“ zu beschimpfen.

4. Gibt es bereits konkrete Forderungen des Familienbunds, was sich mit Blick auf die Klimagerechtigkeit und ein nachhaltiges Leben ändern muss?

Wir stehen im Verband erst am Anfang des Prozesses und entwickeln gerade erst konkrete Positionen. Wichtig ist uns aber insbesondere die Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft. Wir müssen weg vom immerwährenden Größer-Schneller-Weiter. Zudem braucht es sozial ausgewogene Maßnahmen, die insbesondere die Kosten der nötigen Klimaschutzpolitik gerecht verteilen. Ein Beispiel dafür ist etwa das noch ausstehende Klimageld. Notwendig ist aber auch ein wirksamer Hitzeschutz. Wir treten zudem für ein Tempolimit auch auf Autobahnen ein und werben für die Einsicht, dass es ohne Veränderungen nicht gehen wird. Dabei ist uns wichtig, dass diese Veränderungen nicht unbedingt unter dem Vorzeichen des Verzichts stehen müssen, sondern wir durch eine Änderung des Lebensstils auch an Lebensqualität gewinnen können.

5. Wie lässt sich angesichts dieser globalen Herausforderung Hoffnung schöpfen, so dass ein Umsteuern gelingt?

Als Christ bin ich immer Optimist und von Hoffnung getragen. Die Welt ist gehalten von einem guten Gott, der Vollendung und nicht Zerstörung im Sinn hat. So habe ich die Vision eines sozial gerechteren, nachhaltigen Zusammenlebens, eine neue Zeitkultur, in der Menschen die ihnen wichtigen Beziehungen pflegen können und den Gewinn sehen, den Handlungsveränderungen bringen. Ich stelle mir lebenswertere und grünere Städte vor, weniger Lärm durch weniger Verkehr, dadurch mehr Spiel- und Bewegungsraum sowie Aufenthaltsqualität für Kinder, Ältere, im Grunde alle, besseren und bezahlbaren ÖPNV auch in ländlichen Gegenden. Für all das will ich als Familienbund-Präsident werben. Ich finde, das sind sowohl schöne, wie auch im wahrsten Sinne des Wortes not-wendige Ziele, für die sich jeder Einsatz lohnt.